Blick ins Buch:
Der Bamberger Dom als Heilsgeschichtsraum
Teil I: Die Skulpturen der Älteren Werkstatt
Mit zahlreichen Neuaufnahmen von Anna Nöbauer und Simon Dirk Schmidt
Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 194
Was wurde nicht schon alles über die Skulpturen des Bamberger Domes geschrieben! Sie gehören zu den bedeutendsten und am intensivsten erforschten Werken mittelalterlicher Kunst überhaupt. Sie entstanden an der Epochenschwelle zwischen Romanik und Frühgotik, vereinen Traditionelles mit hoch Innovativem. Bisher scheiterte allerdings jeder Versuch, sie in ihrer Gesamtheit zu deuten. Das Bildprogramm galt als unzusammenhängend und letztlich unverständlich.
Mit diesem Buch wird erstmals der Versuch unternommen, die Bamberger Skulpturen der spätromanischen Bildhauerwerkstatt in ihrer Gesamtheit aus den Auffassungen der mittelalterlichen Zeitgenossen heraus zu deuten. Es war wahrscheinlich der Domscholaster Crafto, der bereits vor 1196 ein höchst anspruchsvolles Konzept aus Architektur und Skulptur entwickelte, wie es dies im Hochmittelalter kaum ein zweites Mal gegeben hat. Es bildete die Grundlage der Arbeiten bis zur Vollendung des Fürstenportals um 1225. Man gestaltete den Dom als symbolische Vergegenwärtigung des vom Propheten Ezechiel visionär geschauten Tempels, und zwar mit zahlreichen sehr konkreten Details der Architektur und Skulptur. Dabei spielten die Beziehungen zwischen christlicher „Kirche“ und jüdischer „Synagoge“ eine zentrale Rolle, ebenso die Sinne der Menschen, vor allem das Hören und Sehen, das sie zu höherer Erkenntnis führt. Das Programm reflektiert den hochmittelalterlichen Diskurs über das Verhältnis von Diesseits und Jenseits, den schwachen Menschen und die überirdische Himmelsmacht.
Der Bamberger Dom war von Kaiser Heinrich II. gegründet worden, und ein Buch aus seinem Besitz in der berühmten Dombibliothek diente als Grundlage für das theologische Konzept, das vor allem auf den Ideen Papst Gregors des Großen beruht, aber auch den zeitgenössischen frühscholastischen Diskurs berücksichtigt. Darin brachten die Bamberger Domkanoniker ihr elitäres Selbstverständnis zum Ausdruck. Sie präsentierten sich selbstbewusst in der Nachfolge der Apostel als die herausragenden Anführer der einfachen Laien auf dem Weg zu Gott – ein Weg, der schließlich im Weltgerichtsportal sein Ziel findet.
Die Forschungsliteratur zum Bamberger Dom umfasst inzwischen viele Regalmeter. Nun hat Gerhard Weilandt dem ein neues gewichtiges und stattliches Werk hinzugefügt. Erschienen ist es im für kulturhistorische Untersuchungen aus Bamberg so bewährten Michael Imhof Verlag, dessen Produkte sich durch hervorragende buchtechnische Qualität auszeichnen. Das beweist auch der neue Band.: trotz seines Umfangs liegt das Buch gut auf dem Tisch, die Seiten bleiben offen, der Schutzumschlag reißt nicht bei der kleinsten Beanspruchung ein, der knallrote Leineneinband mit goldgedrucktem Titel ist ein Hingucker für sich, Drucktechnik und Layout sind perfekt. Die besondere drucktechnische Qualität kommt vor allem den außergewöhnlich brillanten Fotos zugute. So nahe kamen dem Betrachter die Skulpturen des Domes noch nie. Jede kleinste Falte, jeder Hauch von Farbe, jede Binnenzeichnung wird sichtbar. Neben vielen historischen Aufnahmen sind es vor allem die neu entstandenen Aufnahmen von Anna Nöbauer und Simon Schmidt, die, von Gerüsten aus, die Bildhauerarbeiten auch aus sehr ungewöhnlichen Blickwinkeln ins Bild setzen konnten. […] Die Darstellung der verschiedenen Bauphasen ist hier noch stringenter, runder und überzeugender als in seiner Zusammenfassung der Baugeschichte im sog. „Großinventar“. […] Fazit: Der Band ist ein schönes Buch, das noch viel Anlass zur Diskussion liefern wird.
www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de, September 2023
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